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Schneller Bauen Gesetz - Ein Kommentar

IG BAU, BzV Berlin
19.09.2024
Presse

Berlin braucht dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Der Plan des Senats, im Jahr 20.000 neue Wohnungen zu bauen, ist in den letzten Jahren nur zu ca. 85 % realisiert worden. 85 % Erfüllung sind vielleicht im Vergleich mit anderen Wahlversprechen eine ganze Menge. Aber auch die anvisierten 20.000 sind zu wenig.

Peter Keibel, Sprecher Baupolitik

Peter Keibel

Sprecher Baupolitik

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Thomas Hentschel, Bezirksvorsitzender

Thomas Hentschel

Bezirksvorsitzender

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Schneller Bauen Gesetz - Ein Kommentar

 

Berlin braucht dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Der Plan des Senats, im Jahr 20.000 neue Wohnungen zu bauen, ist in den letzten Jahren nur zu ca. 85 % realisiert worden. 85 % Erfüllung sind vielleicht im Vergleich mit anderen Wahlversprechen eine ganze Menge. Aber auch die anvisierten 20.000 sind zu wenig.


Hindernisse sind vielfältig: U.a. gestiegene Bau- und Grundstückspreise, ein Mangel an Fachkräften, falsche politische Entscheidungen, aber vor allem auch zu lange Planungszeiten. Dagegen soll ein „Schneller Bauen Gesetz“ helfen. Das Problem: Wir haben den Verdacht, dass mit diesem Gesetz gleichzeitig auch Umweltverbände und widerspenstige Stadtbezirke diszipliniert werden sollen, und dass mühsam erkämpfte Beteiligungsmöglichkeiten revidiert werden.


Sicher ist die Zeit zur Aufstellung von Bebauungsplänen in Berlin viel zu lang. Wir können uns gewaltige Kürzungen durch Bürokratieabbau vorstellen. Mehr Effektivität ist möglich. Im Gesetzentwurf ist aber nicht ersichtlich, wie das im Detail geschehen soll.

Aber bringt es etwas, die Bearbeitungszeit der Naturschutzvereinigungen von vier auf zwei Wochen zu verkürzen? Vierzehn Tage gewonnen bei Planungszeiten von mehreren Jahren? Wahrscheinlicher ist, dass man „Bedenkenträgern“ den Widerspruch erschweren will. Oder ihn ganz unmöglich machen. Schließlich wird in diesen Gremien vorwiegend ehrenamtlich nach Feierabend gearbeitet, da sind zwei Wochen zu wenig.


In der Erweiterung der Zuständigkeit des Senats von „Aufgaben von gesamtstätischer Bedeutung“ auf Eingriffsmöglichkeiten bei „unmittelbar oder mittelbar dringenden Gesamtinteressen Berlins“ sehen wir einen Angriff auf die Rechte der Bezirke. Gerade die Politiker dort kennen die Probleme z.B. von Nachverdichtung für die Anwohner. Bauvorhaben wie z.B. die riesigen Bürogebäude im Gleisdreieckpark können dann mit „der Senat zieht an sich“ noch leichter gegen den Willen der dortigen Bevölkerung durchgesetzt werden.


Ohne Zweifel hat der Wohnungsbau eine hohe Priorität. Gleichrangig ist aber der Klimaschutz und die nachhaltige Entwicklung der Stadt. Außer der Verschlechterung bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen stört uns, dass Ersatzmaßnahmen z.B. für Versiegelung von Boden außerhalb der Stadt erfolgen dürfen.


Resümee:

Schneller bauen ist prima. Leider können wir im neuen Gesetz keinen Weg dorthin erkennen.


Stattdessen Entmachtung von Bezirken und Umweltverbänden. Ein dumpfes „Bauen, Bauen, Bauen“ mit Beseitigung von allem, was im Weg stehen könnte, auf Kosten einer lebenswerten Stadt. Anstatt mit den Bürgern einen Konsens herzustellen wird Berlin an Investoren verkauft, an Investoren wie beispielsweise die Herren Groth oder Benko.


Eine wirkliche Beschleunigung des Wohnungsbaus wäre die Bebauung von Grundstücken, bei denen eine fertige Baugenehmigung vorliegt, aber aus Spekulationsgründen nicht gebaut wird. Von einem „Baugebot“ soll nicht nur geredet werden, man muss es auch durchführen.


Außerdem gibt es inzwischen viele nicht mehr genutzte Bürogebäude, die man schnell in Wohnungen umbauen könnte. Und wie wär’s mit einer konsequenten Durchsetzung von Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum?